Meine persönliche digitale Transformation

Immer wenn ich reise, kann ich mich besonders gut meinen Gedanken hingeben und diese weiterentwickeln. Inspiriert von langen Zugfahrten, während denen Landschaften an mir vorbeiziehen, befinde ich mich in Zeitabschnitten, die langwierig oder kurzweilig sein können. Ich mache die Bekanntschaft mit Menschen, unter denen sich großartige Persönlichkeiten befinden, und sie begeistern mich mit ihrem Blick auf die Welt.

Mit diesen Menschen kann ich mich austauschen. Ich gelange an Orte, an denen ich mich in Diskussionen vertiefen und einen veränderten Blickwinkel auf tiefgreifende Themen einnehmen kann. Diese, meine sich ständig neu bereichernde Gedanken- und Ideenwelt, gleicht der des Internets in seinem Kern.

Jeder Mensch kann durch die unzähligen Netze sein Wissen in die Welt tragen und die Welt an seinen Gedanken und Erlebnissen teilhaben lassen. Der Mensch wird hierdurch Gestalter der Internet-Welt, eines Mediums, das ein weltumspannendes Netzwerk ist. Der Mensch erschafft und verändert dieses Netzwerk permanent, indem er sich dort gestaltend bewegt, ebenso wie ich es in meiner Gedankenwelt oder in der Interaktion mit unterschiedlichen Menschen tue. Ich erschaffe etwas, ein Werk, ich netzwerke.

Die Gedanken eines jeden einzelnen sind unsere Gedankenfelder, man kann sie sich wie Ordner vorstellen, die uns helfen zu schaffen und zu verändern. Unsere Gedanken und unsere gedankliche Erlebniswelt schaffen unser Bewusstsein. René Descartes hat auf dieser Erkenntnis seine komplette Philosophie aufgebaut. Nichts ist so sicher, wie die Tatsache, dass ich bin und ein Bewusstsein habe, in dem Moment, in dem ich es denke - die berühmten Worte „Ich denke, also bin ich” kennzeichnen den Ausgangspunkt all seiner weiteren Überlegungen.

Wir müssen heute einen Schritt weiter gehen und uns nicht nur fragen, ob wir denken und daher sind. Wir vergewissern uns darüber hinaus unseres eigenen Seins, indem wir uns unserer Existenz im Internet vergewissern.

Auch wenn wir jetzt alle neuen Überlegungen überspringen müssen, ob wir nicht selbst denken, sondern vielleicht nur gedacht werden. Wichtig ist das, was der Rationalist im 17. Jahrhundert nicht ahnen konnte: Wir haben heute auf besondere Art und Weise die Möglichkeit, mit unseren Gedanken eine Erlebniswelt zu schaffen und diese zu teilen - im Netz. Die Intensität der Emotionen, die wir mit Bildern und Videos darstellen und auslösen können, ist als die aktuelle Spitze der Authentizität zu betrachten. Man könnte heute sagen: Ich denke, fühle, bin bei Google zu finden - also bin ich.

Das neue Wortgewicht - Zwischen Schaffenskraft und potenzieller Selbstzerstörung

Die Intensität des inneren Wünschens, Träumens und Sehnens nach außen zu tragen, ist ein zweischneidiges Schwert. Das Ausleben dieser Gedanken im Internet kann uns helfen, Großes zu erreichen. Es ist dabei aber ebenso wichtig, auf die Gedanken, die zu medialen Ereignissen und letztendlich auch zu Taten werden können, zu achten. Denn diese können ebenso schaffen wie zerstören.

Die erlebten Geschichten und Gedanken müssen in eine Form gebracht werden, damit sie Verbreitung finden können. Die Fülle der modernen Darstellungsweisen von Inhalten reicht von ausführlichen Artikeln und Linktipps über audiovisuelle Reize - wie Bilder, Videos, Live-Streams, Slides, Podcasts, Vorträge und vieles mehr.

In dieser Außendarstellung der inneren Vorgänge - ganz gleich über welchen medialen Weg sie zum Ausdruck kommen - gilt das Kausalitätsprinzip von Ursache und Wirkung. Jedem Klick und jeder Aktion im Internet folgt eine Reaktion. Jeder Wirkung liegt eine Ursache zugrunde. Diese gesetzmäßig ablaufende Abfolge von aufeinander bezogenen Ereignissen und Zuständen sollte jeder, der Akteur im Internet sein möchte, verinnerlichen.

Der Mensch als verantwortungsvoller Selbstschöpfer seiner Netz-Identität

Denn jeder Mensch ist Schöpfer, Träger und Überwinder seiner eigenen Geschichten und Gedanken. Jeder Gedanke, jedes Gefühl, jede Tat ist eine Ursache, die eine Wirkung provoziert. Jede Aktion erzeugt eine bestimmte Energie, die mit gleicher Intensität zum Ausgangspunkt, seinem ursprünglichen Erzeuger, zurückkehrt. Dieses Ursache-Wirkung-Prinzip begegnet uns heute im facettenreichen Gewand einer neuen Fachsprache: Social Media, Social Selling, Social Prospecting oder Social Targeting.

Jeder Mensch trägt die Verantwortung für seine Aussagen und deren Wirkung, die auf ihn zurückfällt und für die er zur Rechenschaft gezogen werden kann - denn alle Worte und Taten im Internet lassen sich zurückverfolgen und rekonstruieren. Die Wirkung entspricht der Ursache in Qualität und Quantität. Hier gilt das Prinzip von Aktion und Reaktion. Alles geschieht in Übereinstimmung mit der Gesetzmäßigkeit der Programme im Netz. Wir Menschen sind hier nur durch das Internet normiert. Obwohl wir auch Gestalter des Internets sind und es mit unseren Gedanken beleben, müssen wir uns diesen Gesetzmäßigkeiten anpassen.

So müssen wir Menschen im Netz vermehrt unsere Gedanken beschreiben, bebildern, diese mitteilen, um eine Präsenz zu schaffen, die unsere Identität und unser Leben digital darstellt. Weil wir den Wunsch haben, ein virtuelles Zuhause zu schaffen.

Inszenierung des Ichs - Wer möchte ich im Netz sein?

Eine qualitative Präsenz im Netz setzt einige fundamentale Überlegung voraus:

  • Welche Eigenschaften möchte ich selbst nach außen leben?
  • Welche Verhaltensmuster aus dem realen Leben möchte ich im Netz spiegeln?
  • Welche Gedanken, welche Gefühle und welches Handeln sollen im Netz nachhaltig wirken?

Die Selbstreflexion beinhaltet auch die Erkenntnis, dass man negative Gefühle und Gefühlsäußerungen wie Hass, Wut und Angst im Netz nicht lösen kann. Die letzte und grundlegendste Erkenntnis aber ist, dass am Ende jeder alleine und somit für sich selbst, für seine Worte und Taten verantwortlich ist - und die Konsequenzen tragen muss. Jeder muss selbst die Verpflichtung wahrnehmen, eine eigene Daten- oder Internetethik zu bilden.

Dies ist selbstverständlich, wenn man sich bewusst macht, dass es für alles, was wir im Netz tätigen, auf der Ebene des Daseins eine Entsprechung gibt. Es gibt keinen Gedanken im Netz, der nicht zuvor gedacht wurde. Das Internet ist also das Abbild, der Spiegel unserer Gedanken, unserer Persönlichkeiten und unseres Gesellschaftszustands. Dieser Zustand in seinen kleinsten Facetten wird fortlaufend analysiert: Im Netz nennt man diese Analyse auf der Mikroebene Algorithmen. Es sind Maschinen, die Daten auswerten und uns sowie unsere Gefühle kategorisieren oder in Datenzentren einordnen.

Denn der innere Gefühlszustand gibt Aufschluss darüber, wie die persönliche Internetwelt erlebt wird. Wer sich verändert, einen Schicksalsschlag erleidet, in eine andere Stadt zieht, einen Imagewechsel vornimmt, seine Lesegewohnheiten oder den Musikgeschmack modifiziert, der verändert sich selbst und sein Umfeld - und damit auch das Internet.

Über diese persönliche Offenbarung hinaus steckt auch in allen Postings, Kommentaren und Likes ein Statement und eine Meinung über Dritte. Was du über andere im Netz denkst und äußerst, charakterisiert dich, ergibt ein weiteres Puzzleteil deiner komplexen Internet-Persönlichkeit.

Die neue Dimension der Eigen- und Fremdverantwortung

Im Internet gilt das Prinzip der Resonanz. Denn gerade im Netz zieht Gleiches Gleiches an und wird durch Gleiches verstärkt. Ungleiches stößt einander ab, es kommt zu keiner Verbindung. Das persönliche Verhalten bestimmt die persönlichen Verhältnisse zu anderen im Netz.

So lässt sich logisch schlussfolgern, dass sich Organisationen zusammenschließen, die auch negatives Gedankengut vertreten und in die Welt tragen. Angst zieht das Übel an. Wer auf negative Leidenschaften wie Hass und Eifersucht im Netz reagiert und Resonanz bietet, der erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die befürchteten Dinge eintreten.

Die Handlungen im Netz gehen nicht nur eine Wechselwirkung mit den tatsächlichen Geschehnissen ein, sondern sie bedingen einander. Du bist die Persönlichkeit. Du bist, was du im Netz von dir gibst. So lautet der klare Leitspruch, der als Orientierungshilfe dienen kann. All das wird zu einem Teil deiner gelebten Realität und deines Lebens, was du täglich im Internet denkst, fühlst und tust. Diese virtuellen Handlungen ziehen tatsächliche Handlungen nach sich und sie werden förmlich in das reale Leben hineingezogen.

Das Prinzip von Teilen und Sein - Innere Harmonie als Schlüsselfunktion

Der sachte Fluss der Timelines heißt Harmonie, denn alles strebt zur Harmonie und zum Ausgleich. Gerade im Netz besteht das Zusammenleben in einem harmonischen Miteinander, dem Geben und Nehmen der Inhalte und immer neuen Möglichkeiten. Auf keine andere Art und Weise ist eine Weiterentwicklung möglich. Wie auch in allen anderen zwischenmenschlichen Beziehungen unseres Daseins ist das Leben im Internet von Austausch, dem Teilen von Wissen, dem Liken und Verlinken geprägt.

Der Mensch öffnet sich im Internet und nutzt die Potenziale des Mediums aus, indem er alle bewussten und unbewussten Gedanken an Mangel und Begrenzung negiert, sich von allen alten Begrenzungen trennt und Neues, Unbegrenztes wagt. Er tut dies, indem er die Welt an seinen Gedanken teilhaben lässt, indem er in Foren kommentiert, sich rege an einem Diskurs beteiligt oder aktiv Social Media betreibt und lebt. Das Prinzip des Internets ist, dass nichts stehen bleibt - jede Information bewegt sich und ist ständig im Fluss.

Warum Passivität im Netz dem Netz schadet

Ein Leitspruch lautet daher: Verurteile nicht und werte nicht direkt. Sei nicht impulsiv. Erkenne auch die Gegenmeinung an und beschäftige dich mit dieser. Jeder hat, von seinem eignen Standpunkt aus gesehen Recht, doch nicht jedes Recht fügt sich auch nahtlos in die eigene Wertekategorie. Wenn sich die Werte nicht in diese Kategorien einordnen lassen, muss man radikal handeln und die Person aus dem eigenen digitalen Leben verbannen.

Beispielsweise gilt es, sich als aufgeklärter Mensch im Internet seiner Verantwortung bewusst zu sein und sich seines Verstandes und Urteilsvermögens zu bedienen. Sich klar gegen menschenverachtende Inhalte zu stellen, wenn man sich mit diesen direkt oder indirekt konfrontiert sieht.

Wer im Gleichgewicht ist, der kann das Netz richtig nutzen. Hierfür muss man sich selbst kennen. Wer sich nicht kennt, der kann nicht geben - und Geben ist eine entscheidende lebenserhaltende und Leben stiftende Eigenschaft des Internets. Es verhält sich hier wie in der Welt der realen Begegnungen, auf Reisen durch Städte, Länder, Gedankenwelten: was ist ein Gespräch ohne einen ebenbürtigen Partner? Ein Monolog, der verebbt, das Prinzip des Gesprächs hebt sich auf.

Ebenso ist es im Internet: Wer nur passiv ist, wer nicht an Diskussionen partizipiert, indem er keine Kommentare schreibt oder nicht seine Zugewandtheit in Form von Likes ausdrückt, der ist ein negativer Teil des Netzes. Ein reiner Nutznießer, der von den Inhalten der anderen profitiert und der das System aussaugt. Jemand, der nicht an dem System des Teilens teilnimmt und daher Stagnation heraufbeschwört - doch Stagnation widerspricht dem Prinzip des Internets.

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3 Kommentare

  • Sehr guter Artikel, danke dafür!
    An einer Stelle musste ich jedoch etwas nachdenken: - Inszenierung des Ichs -
    Das hat für mich auch etwas unheimliches, denn ist ja tatsächlich immer noch möglich sich zu "inszenieren", auch im negativen Sinne.

    Liebe Grüße

    Detlev

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